UNI Post & Logistics - global union

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Präsident der UNI Post & Logistics - global union

Leserbrief, 12.10.2007

Zur Berichterstattung über den Mindestlohn in der Postbranche

Das ist schon einzigartig: Die Zeitungsverleger schalten in ihren eigenen Publikationen Anzeigen gegen den Mindestlohn für die Postbranche. Wenn einem die Zeitungen gehören, braucht man sich auch keine Gedanken zu den Kosten zu machen. Mit geballter wirtschaftlicher Macht wird so versucht, politisch Einfluss zu nehmen und Interessen durchzusetzen.

Schaut man sich die Kommentare, Artikel in den deutschen Tageszeitungen an, wird deutlich, dass sich die Grenze zwischen seriöser Berichterstattung und politisch motiviertem Kampagnenjournalismus zunehmend verschiebt. Hinter vorgehaltener Hand berichten zahlreiche Journalisten, dass sie angehalten werden, den Mindestlohn runterzuschreiben. Einige machen das im vorauseilendem Gehorsam zu ihren Verlegern bzw. Chefredakteuren. Mit unabhängigem Journalismus hat das - was zu bedauern ist - nichts mehr zu tun. Pressefreiheit darf nicht zur Freiheit von wenigen Verlegern und Medienkonzernen verkommen, die nur ihre interessengeleitete Meinung zur Geltung bringen. Das ist eine Debatte , die jetzt angestoßen werden muss.

In dieses Bild passt, dass auf die Schnelle ein neuer Arbeitgeberverband gegründet wurde, mit einem gescheiterten Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit an der Spitze, der dem Vernehmen nach 1Million Euro für seine Dienste bekommt. Als Hartz IV-Vollstrecker soll er in dieser Kontinuität jetzt auch in der Postbranche Hungerlöhne durchsetzen. Darüber wird nicht berichtet. Statt dessen wird jedes noch so falsche Argument von ihm ohne zu hinterfragen abgedruckt.

So arbeitet man Hand in Hand. Im Stile von Kampagnenjournalismus tauchen seit 3 Wochen die Argumente immer wieder in gebrauchter Form auf. Einer schreibt vom Anderen ab. Dabei lohnt es sich, genauer hinzusehen. Eine Werbeagentur mit millionenschwerem Budget steuert die Kampagne. Gegen ihre Interessen werden Beschäftigte der luxemburgischen PIN Group und der holländischen TNT usw. zur Demonstration nach Berlin gekarrt. Mit Einschüchterung und Druck dürfen sie bei voller Bezahlung dafür demonstrieren, dass sie statt 9,80 € Stundenlohn nur 6,--€ haben wollen. Plakate der Werbeagentur werden mediengerecht hochgehalten. Im Dunkeln bleibt, wer die Kosten für Organisation und Busse übernimmt. Man stelle sich mal vor, was in der Presselandschaft los wäre, wenn sich die Gewerkschaften ihre Demonstrationen von den Arbeitgebern bezahlen ließen. Der Gipfel ist, dass offensichtlich von den Arbeitgebern gesteuert und finanziert eine neue Gewerkschaft gegründet wird. Das Ziel: Mit sich selbst Tarifverträge abzuschließen. Als Chef dieser obskuren Vereinigung fungiert ein Mitarbeiter aus der Personalabteilung der zum Springer-Verlag gehörenden PIN AG. Dieser Skandal hat bizarre Züge!

Diese Vorgänge zeigen aber auch: Es ist genug Geld bei den neuen Postbetreibern vorhanden. Die Frage stellt sich, warum man dieses Geld in eine Kampagne steckt, statt anständige Löhne zu zahlen.
Ganz einfach: Es geht um Profit. Der luxemburger Konzern PIN Group und der holländische Postkonzern TNT können doch mit ihrem Geschäftsmodell, das auf Lohn- und Sozialdumping beruht, prima leben. Dass die von ihnen gezahlten Hungerlöhne nicht zum Leben für eine Familien reicht und erkennbar Altersarmut bedeutet, wird von niemandem bestritten. Für die beiden ausländischen Postkonzerne ist es doch prima, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um über die Runden zu kommen, staatliche Transferleistungen erhalten. Diese zahlen die Arbeitnehmer in Deutschland über ihre Steuern und Sozialabgaben. Zu Ende gedacht: Die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer subventionieren das Geschäftsmodell mit Lohn- und Sozialdumping von PIN Group und TNT und die bringen ihre Profite ins Ausland.

Die Summe der Briefsendungen, die in Deutschland zugestellt wird, bleibt auch in Zukunft annähernd gleich. Das sagen Alle. Im Kern geht es doch deshalb um die Frage: Sollen die Briefe künftig von Briefträgerinnen und Briefträgern zugestellt werden, die sozialversicherungspflichtig sind und einen auskömmlichen Tariflohn haben, oder setzt sich das Geschäftsmodell Lohn- und Sozialdumping durch? Wenn sich dieses Geschäftsmodell durchsetzt, gehört nicht viel Phantasie dazu, dass in wenigen Monaten die Arbeitgeber, die noch Tariflohn zahlen, die Verträge kündigen werden, um die Löhne zu drücken oder aber über Outsourcing mit Subunternehmern das Geschäftsmodell Lohn- und Sozialdumping kopieren. Wir beklagen dann 130.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatze, die verloren gehen. Die Kosten dafür zahlt wiederum die Allgemeinheit. Warum findet darüber eigentliche keine öffentliche Debatte statt?

Warum wird nicht daran erinnert, was die Politik 1996 bei der Postreform den Beschäftigten der Postbranche versprochen hat? Im Beschuss des Deutschen Bundestages heißt es: „Vor allem muss verhindert werden, dass die Marktöffnung zu einer Ausweitung ungeschützter Arbeitsverhältnisse durch Scheinselbstständigkeit, Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung führt. Eine solche Entwicklung würde zu Lasten der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer, der sozialen Sicherungssysteme und eines fairen Wettbewerbs gehen. Durch geeignete Rahmenbedingungen muss verhindert werden, dass Wettbewerber sich durch Sozialdumping ungerechtfertige Vorteile verschaffen (Bt-Drucksache 13/4582)“.

Die „Super-Koalition“ aus CDU/CSU, SPD, FDP hat mit diesem Ziel im Postgesetz seinerzeit eine Sozialklausel aufgenommen. Nur – niemand hat sich daran gehalten. Die mit der Durchsetzung beauftragte Bundesnetzagentur hat weggesehen. Als dies publik wurde, hat sie Gutachten in Auftrag gegeben, die die tatsächlichen Arbeitbedingungen und ihre Untätigkeit verschleiern sollen. Wo waren da eigentlich in der Debatte Glos und Merkel, die mit ihren Stimmabgaben für das Postgesetz vor rd. 10 Jahren das Versprechen an die Beschäftigten der Branche abgegeben haben? Einer der Väter des Postgesetzes, Bundespostminister a. D. Wolfgang Bötsch bringt die Situation rd. 10 Jahre nach dem Beschluss des Bundestages in einem Kommentar am 19.04.07auf den Punkt:

„Diejenigen Wettbewerber, die ihre Geschäftsmodelle ausschließlich auf Lohn- und Sozialdumping aufbauen, stehen eindeutig im Widerspruch zum Postgesetz. Daher regelt das Gesetz, dass Lizenzen für Postdienstleister zu versagen sind, wenn die Arbeitbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, erheblich unterschritten werden. Deshalb ist es erforderlich, dass die Bundesnetzagentur nicht länger die Augen vor dem Problem verschließt und gegen Lizenzverstöße durchgreift. Auch hier gibt es eindeutige Vorschriften im Gesetz: Bei nachhaltigen Verstößen muss die Lizenz entzogen werden. Es bedarf also keiner Gesetzesänderungen, sondern nur der konsequenten Anwendung des Gesetzes.“

Warum wird über das, was von den Politikern versprochen wurde und was daraus geworden ist, nicht berichtet? Warum findet darüber keine öffentliche Debatte statt?

Der Vizekanzler und Bundesarbeitsminister erinnert sich an das Versprechen der Politik und will gegensteuern, Lohn- und Sozialdumping als Geschäftsmodell auf Kosten der Allgemeinheit soll unterbunden werden. Er will fairen Wettbewerb über Qualität, Produkte, und Innovation. Die geballte Macht der Zeitungsverleger mit Ihren Hilfstruppen sowie die ausländischen Postkonzerne aus Luxemburg und den Niederlanden wollen das verhindern. Wir sollten unseren Vizekanzler unterstützen.

Rolf Büttner



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