März 2008: Artikel zur TNT-Post Deutschland
TNT-Post Deutschland - Ein Hungerlohnhalunke?Von Rolf Büttner, Präsident UNI Post & Logistics
TNT-Post Deutschland erkennt den von ver.di und dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. abgeschlossenen Tarifvertrag zum Postmindestlohn nicht an. Stattdessen will TNT-Post Deutschland einen Dumpinglohn durchsetzen, der mit einer dubiosen, arbeitgebernahen Gewerkschaft abgeschlossen wurde. TNT-Post Deutschland setzt auf ein langwieriges Gerichtsverfahren, bis hin zum EuGH. Ihr Ziel: Marktliberalisierung soll den Tarifverträgen und dem Arbeits- und Sozialrecht vorgehen.
TNT-Post Deutschland bedient sich äusserst zweifelhafter, unseriöser Methoden, Praktiken, Täuschungen, damit Lohn- und Sozialdumping weiter Geschäftsmodell bleiben kann. Mit verheerenden Folgen für die gesamte Postbranche. 81% der deutschen Bevölkerung wollen den Postmindestlohn. 84% der Abgeordneten des Deutschen Parlaments haben für den Postmindestlohn gestimmt. TNT-Post Deutschland ist das egal. Sie setzen sich mit dubiosen Methoden über die Parlamentsbeschlüsse und die öffentliche Meinung hinweg. Offensichtlich wird dies alles aus der Konzernzentrale von TNT in Holland gesteuert. Wenn es TNT gelingt sich im bevölkerungsreichsten Land Europas durchzusetzen, wird das Folgen für alle übrigen Länder in der EU und weit über Europa hinaus haben. Die multinationalen Postkonzerne werden versuchen, überall nach der gleichen Methode vorgehen. Es geht um die Würde von hart arbeitenden Menschen, die gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft Lohn- und Sozialdumping verhindern wollen. Sie wollen sichere Arbeitsplätze, die auf einem seriösen Geschäftsmodell beruhen. Der Widerstand gegen TNT Post Deutschland und die Konzernzentrale in Amsterdam wächst: Am 13. März 2008 wird die deutsche UNI-Mitgliedsorganisation ver.di mit einer Menschenkette rund um das Hauptgebäude von TNT Post in Ratingen/Deutschland demonstrieren. Des weiteren werden größten Kunden von TNT Post Deutschland aufgefordert, auf TNT einzuwirken, den Postmindestlohn zu zahlen. Andernfalls sollen Geschäftsbeziehungen in Frage gestellt werden. Eine Kampagne soll gegenüber Politikern dafür sorgen, dass TNT keine öffentlichen Aufträge mehr erhält. Ver.di-Mitglieder bei TNT Post Deutschland erhalten juristischen Beistand um den regulären Lohn einzuklagen. Am 18. April 2008 will die ver.di mit weiteren UNI-Mitgliedsorganisationen an der deutsch/niederländischen Grenze eine Aktion durchführen: Hungerlohnhalunken sollen die Grenze nicht überschreiten dürfen. Auch international soll mobilisiert werden: Am 18. März 2008 wird in Luxemburg eine UNI-Aktion gegenüber TNT stattfinden. Der Europa Vorstand von UNI Post und Logistics will im März 2008 einen Aktionsplan beschließen, der zu einer einjährigen, weltweiten Aktion mit mehreren Phasen aufruft. Die 10 Wahrheiten und die Fakten über die Politik von TNT-Post Deutschland:
1) TNT-Post Deutschland: Das deutsche Postgesetz bei der Investitionsentscheidung nicht berücksichtigt1997 trat das neue Postgesetz in Deutschland in Kraft. Die Leitlinie des deutschen Postgesetzes: Wettbewerb ja – Lohndumping nein. Eine Sozialklausel wurde in das Postgesetz aufgenommen. Eine Lizenz sollte nur erhalten, wer die in der Branche üblichen Arbeitsbedingungen einhält: Der Gesetzestext (§6 Abs. 3 Nr. 3 Postgesetz) lautet:„Eine Lizenz ist zu versagen, wenn………Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizensierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet“ Wie diese Norm auszulegen ist, macht ein Gutachten des Oldenburger Arbeitsrechtlers Prof. Thomas Blanke präzise deutlich: Demnach darf die Bundesnetzagentur – die deutsche Regulierungsbehörde für die Postbranche - Briefdienstleistern keine Lizenz erteilen – oder muss eine bereits erteilte Lizenz wieder zurückziehen – wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass das Unternehmen „die für die Mehrzahl der im lizensierten Bereich geltenden wesentlichen tariflichen Arbeitsbedingungen (das sind: Lohnhöhe, die Arbeitszeit und die Dauer des Jahresurlaubs) um mehr als 10% unterschreitet. Bezugspunkt sind dabei, solange die Mehrzahl der Arbeitnehmer im lizensierten Bereich von der Deutschen Post AG beschäftigt wird, die tariflichen Regelungen der Beschäftigten der Deutschen Post AG. Mit anderen Worten: Alle Briefdienstfirmen , die mit ihren Löhnen um 20, 30, 40 Prozent oder noch weiter unter den Entgelten der Arbeitnehmer bei der Deutschen Post AG liegen, dürften von Rechts wegen überhaupt keine Erlaubnis haben, am Briefmarkt tätig zu sein. Die TNT kannte diese Gesetzesvorgaben bei ihren Investitionsentscheidungen. Offensichtlich haben sie einen falschen Businessplan aufgestellt. Wenn sie nun behaupten, ihr Geschäftsplan basiert auf Niedriglöhnen und man kann deshalb keine anständigen Löhne zahlen, ist das unsolide. Ein guter solider Kaufmann baut kein Geschäftsmodell auf, bei dem Rechtsverstöße einkalkuliert werden. 2.) TNT-Post Deutschland und Löhne die zum Leben nicht reichenDie deutsche UNI-Mitgliedsorganisation ver.di hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Lohn- und Sozialbedingungen im deutschen Postmarkt untersucht. Besonders brisant fielen die Ergebnisse der Studie zur Frage der bei den Lizenznehmern zu erzielenden Einkommen aus. Der Studie zu Folge beträgt der Stundenlohn, der von den neuen Briefdienstleistern an ihre in der Zustellung beschäftigten Briefträger bezahlt wird, in Westdeutschland im Durchschnitt (Median) nur 7,00 Euro/Stunde und in Ostdeutschland gar nur 5,90 Euro/Stunde.Das auf Basis dieser Stundenlöhne zu erreichende monatliche Brutto-Einkommen liegt damit im Falle einer 38,5 Stundenwoche bei 1.169 Euro in Westdeutschland und bei 985 Euro in den neuen Bundesländern inklusive Berlin. Ordnet man diese Entgelte vergleichend ein, so ergibt sich der Studie zu Folge, dass die bei den Lizenznehmern im Durchschnitt erzielbaren Entgelte in Westdeutschland um 40,9 % und in Ostdeutschland um 50,2 % unter dem Einstiegsgehalt für Zustellkräfte bei der Deutschen Post AG liegen. Die von den neuen Briefdienstleistern im Durchschnitt bezahlten Löhne sind zudem als nicht existenzsichernd einzustufen. Relevante Teile der bei den neuen Briefdienstleistern Beschäftigten erfüllen selbst im Falle einer Vollzeitbeschäftigung die Kriterien der Hilfsbedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch II und haben - als sogenannte „Aufstocker“ – Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld. Um überleben zu können müssen Sie also Unterstützung in Anspruch nehmen. TNT-Post Deutschland hat voll auf ein Geschäftsmodell gesetzt, das auf prekäre Arbeits- und Einkommensbedingungen setzt. Weil der Lohn zum Leben nicht reicht, müssen die Steuerzahler die gesetzlichen Sozialtransfers aufbringen. Im Kern heisst das: Die Beschäftigten, die von Postunternehmen einen fairen, tariflichen Lohn erhalten, subventionieren mit ihren Sozialabgaben das Geschäftsmodell von TNT-Post Deutschland. Das dass auf Dauer nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. 3) TNT-Post Deutschland und die wachsende öffentliche Kritik am Geschäftsmodell Lohn- und SozialdumpingNicht zuletzt wegen der wachsenden öffentlichen Kritik an teilweise miserablen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen bei privaten Briefdienstleistern traf sich die Geschäftsführung von TNT-Post Deutschland Ende Januar 2007 mit der deutschen UNI-Mitgliedsorganisation ver.di, um die Arbeitsbedingungen im Bereich der Postdienste nach einheitlichen sozialen Mindestanforderungen zu gestalten.Nach einem Gespräch zwischen dem damaligem stellvertretendem ver.di-Vorsitzenden Rolf Büttner und dem Deutschlandchef von TNT-Post, Mario Frusch, verkündete TNT in einer Pressemitteilung am 31. Januar 2007 sogar, man habe „übereinstimmend festgestellt“, dass es nicht länger hinnehmbar sei, den Wettbewerb auf dem Deutschen Briefmarkt zu Lasten der Beschäftigten auszutragen. Es sei alternativlos, die Arbeitsbedingungen nach einheitlichen sozialen Mindestbedingungen zu gestalten, um einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb im Postsektor sicherzustellen. Über „Lohn- und Sozialdumping“ ließe sich keine im Interesse der Verbraucher gute Dienstleistung erzielen. Die Gesprächspartner kündigten damals an, sich gemeinsam für einen fairen und sozial flankierten Wettbewerb in der Branche einzusetzen, soweit die Pressemitteilung von TNT-Post Deutschland. Zu den avisierten weiteren Gesprächen kam es freilich nie: Die TNT-Post beließ es bei der wohlklingenden Pressemitteilung. Sie hat kein Interesse das Geschäftsmodell des Lohn- und Sozialdumping wirklich zu bekämpfen. Im Gegenteil: TNT-Post Deutschland wurde Mitglied in einem dubiosen Arbeitgeberverband der mit Macht anständige Arbeits- und Einkommens- bedingungen verhindern will. Die Doppelstrategie von TNT-Post Deutschland: In der Öffentlichkeit gibt man sich aufgeschlossen und als sozialer Arbeitgeber. Intern wird ein unseriöses Geschäftsmodell vorangetrieben. 4) TNT-Post Deutschland lehnt die Einladung zu Tarifverhandlungen in einem gemeinsamen Arbeitgeberverband ab.Aufgrund wachsender Kritik in Deutschland hat die Politik im Juni 2007 darüber entschieden, gesetzliche Mindeststandards im Briefsektor zu schaffen. Im August 2007 gründete sich daraufhin der Arbeitgeberverband Postdienste e. V. Dieser Verband ist aus der 1998 gegründeten Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft KEP- und Postdienste e.V. (Arge KEP) im Bundesverband Deutscher Arbeitgeberverbände hervorgegangen und organisiert rund 25 Unternehmen der Postbranche. Neben der Deutschen Post AG und weiteren Unternehmen des Post-Konzerns, sind noch eine Reihe mittelständischer Briefdienstleister Verbandsmitglieder.Obwohl der Arbeitgeberverband Postdienste e.V. die PIN-Group AG, TNT-Post Deutschland und andere Lizenznehmer mehrfach offiziell zur Mitarbeit eingeladen hat, sind diese dem Arbeitgeberverband nicht beigetreten, um gemeinsam mit ver.di in Tarifverhandlungen über Mindestarbeitsbedingungen zu treten. Dazu hatte es im Übrigen bereits im Februar 2007auf Initiative der Deutschen Post AG ein Gespräch zusammen mit der PIN-Group und TNT bei dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Deutscher Arbeitgeberverbände gegeben. Diese Tatsachen werden von TNT-Post Deutschland verschwiegen. Heute stellt man sich scheinheilig hin und beklagt öffentlich man sei nicht an den Tarifverhandlungen beteiligt gewesen. TNT-Post Deutschland verfolgt die Strategie, den Postmindestlohn in Deutschland mit allen Mitteln zu verhindern. Da wäre eine Beteiligung an Verhandlungen nur hinderlich gewesen. 5) TNT-Post Deutschland verweigert sich – und steht nun am SpielfeldrandNach der Entscheidung der Deutschen Regierung für die Postbranche angesichts der vollständigen Marktöffnung zum 1.1.2008 beschleunigt eine gesetzliche Grundlage für den Postmindestlohn zu schaffen, wurden von ver.di unverzüglich Kontakte zum Arbeitgeberverband Postdienste e. V. geknüpft – zum damaligen Zeitpunkt der einzige Arbeitgeberverband für den Post- und Briefsektor -, um gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften des Postsektors einen Mindestlohntarifvertrag zu verhandeln. Am 30.08.2007 wurden daraufhin Tarifverhandlungen aufgenommen und am 04.09.2007 im Ergebnis ein „Tarifvertrag zur Regelung der Löhne in der Branche Postdienste“ vereinbart, den neben ver.di auch die „Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation“ sowie die Beamtenbund-Gewerkschaft „DPV-KOM“ unterzeichnet haben.In diesem Tarifvertrag werden Mindestlöhne für die Postbranche zwischen 8,00 Euro und 9,80 Euro/Stunde festgelegt. Am 11. September 2007 stimmte die Tarifkommission der UNI-Mitgliedsorganisation ver.di dem Tarifvertrag zu. Weil sie nicht in den Arbeitgeberverband eingetreten sind, steht TNT-Post Deutschland durch ihr eigenes Versäumnis nun am Spielfeldrand. Dies stellt sich nun als Eigentor heraus. Mit Fouls und zwielichtigen Methoden versucht TNT-Post Deutschland nun wieder ins Spiel zu kommen. 6) TNT-Post Deutschland: Eigener Arbeitgeberverband soll Hungerlöhne durchsetzen.Einen Tag nach dem die Tarifkommission der deutschen UNI-Mitgliedsorganisation ver.di dem Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. zum Postmindestlohn zugestimmt hat, betrat am 12. September 2007 ein neuer Arbeitgeberverband „Neue Brief- und Zustelldienste“ die Bühne. Einer der Initiatoren: TNT-Post Deutschland.Arbeitgeberpräsident wurde der politisch umstrittene Florian Gerster. Rund 1 Million Euro soll er Presseberichten zu Folge dafür erhalten, dass sich an den Hungerlöhnen von TNT-Post Deutschland u. Co nichts ändert. Gemeinsam mit dem Springer-Konzern organisiert Gerster eine beispiellose Pressekampagne gegen den Mindestlohn in Deutschland. Öffentlich bietet er ver.di an, mit ihm einen billigeren Tarifvertrag zwischen 6,50 Euro bis 7,50 Euro/Stunde abzuschließen. Die deutsche UNI-Mitgliedsorganisation ver.di lehnt konsequent Verhandlungen über Vereinbarungen ab, die hinter dem abgeschlossenen Postmindestlohn zurückbleiben. TNT-Chef Peter Bakker droht der deutschen Bundeskanzlerin am Anfang November 2007 in einem Brief an, sich aus Deutschland zurückzuziehen, wenn der Postmindestlohn Gesetz wird. So hat sich noch kein ausländischer Konzernchef in die deutsche Politik eingemischt und versucht, Politiker zu erpressen. Die Schlacht um den Postmindestlohn wird immer bizarrer: Am 9. Oktober 2007 lassen TNT-Post Deutschland und Co. Die bei ihnen beschäftigten Briefträger gegen den Mindestlohn demonstrieren. Logistisch unterstützt wurde die Demonstration durch eine Werbeagentur. Die deutsche Presse ermittelt, das die Werbeagentur vom Arbeitgeber bezahlt, die Demonstration vom Arbeitgeber angemeldet und finanziert wurde. In einem E-Mail seitens des Arbeitgebers wurde den Beschäftigten zugesagt, dass es keinen Lohnausfall bei Teilnahme an der Veranstaltung geben wird. Auf Beschäftigte, die nicht gegen ihre eigenen Interessen demonstrieren wollten wurde massiver Druck ausgeübt. Das gab es in Deutschland noch nie: Das Beschäftigte gegen höhere Löhne demonstrierten. Die deutsche Presse und TV-Sender begleiteten das Schmierentheater mit bissigen Kommentaren. TNT-Post Deutschland ist immer mit dabei und schreibt so negative Sozialgeschichte. 7) TNT-Post Deutschland und eine neue arbeitgebernahe Gewerkschaft.
Clever ausgedacht: Wenn wir schon einen eigenen Arbeitgeberverband haben, brauchen wir nur noch eine eigene Gewerkschaft, um Dumpinglöhnen einen legalen Anstrich zu geben.
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